m. beim arbeitsamt oder: wenn ich was zu sagen hätte

vom arzt aus fuhr ich heute morgen zum arbeitsamt.

guten morgen, was möchten sie?
ich möchte einen antrag auf arbeitslosengeld I stellen (ich gebe der frau hinter dem schreibtisch einige ausgefüllte formulare, die ich im dezember mitbekommen hatte).
das ist nicht der antrag.
ja, das weiß ich. aber sie sagten mir im dezember, ich sollte das ausfüllen und mitbringen.
ja ja. stimmt ja auch. aber hier fehlt ja was.
ich weiß, aber da steht ich biete und dann was ich dem arbeitsmarkt zu bieten habe, aber ich bin ja nicht arbeitsfähig.
wie, sie sind nicht arbeitsfähig?
(manchmal fühle ich mich wie in einer endlosschleife)
das habe ich ja in den formularen erklärt.
aha.
(ich werde nervös in dem empfangszimmer mit der glastür. vom flur beobachten mich merkwürdige menschen und ich frage mich, warum man nicht zumindest eine milchglastür genommen hat. hier fühlt man sich ganz furchtbar wie auf dem präsentierteller. da ich die menschen auf dem flur reden hören kann, gehe ich davon aus, das auch ich gehört werden kann - wie diskret)
soll ich das nachtragen?
ja. gehen sie bitte auf den flur, tragen das nach und dann werden sie von einer kollegin aufgerufen.

ich werde aufgerufen.

ich bin leider mit dem ausfüllen noch nicht gaz fertig, aber bei mir ist es sowieso etwas kompliziert (ich laufe der frau in ihr büro nach. oh, eine holztür, nett).
eigentlich ist es ganz einfach bei ihnen (unterbricht sie mich. ich frage mich kurz, ob ich das positiv aufnehmen soll, aber dann denke ich an mein glück bei ämtern..).
was heißt das?
sie haben gar keinen anspruch auf algI.
(mir fällt fast die kinnlade runter. ich weiß auch gar nicht mehr genau wie ich reagieren soll)
und wieso?
na ja, sehen sie, sie haben noch nicht lange genug eingezahlt.
aber mir wurde gesagt, das ich im krankengeldbezug auch eingezahlt habe.
das schon, aber unmittelbar davor nicht.
doch, davor habe ich ein halbes jahr eingezahlt.
unmittelbar davor?
ja!
einen moment bitte (sie greift zum telefonhörer. kurze zeit später bekomme ich grünes licht. ich habe einen anspruch).

(ich bekomme einen großen haufen formulare, die ich bitte bis zum anfang februar auszufüllen habe. zumindest hat die frau gleich verstanden wieso ich nicht arbeiten kann und trotzdem algI beantrage)

auf dem nachhauseweg komme ich an einem jugendlichen bettler vorbei (oder in dem fall würde ich schnorrer sagen).
klar, hartz4 bekommen, oder arbeitslosengeld ist nicht das beste überhaupt, aber die leute sollen mal froh sein. deutschland ist ein sozialstaat. wo kann man sonst noch nichts tun und dafür geld bekommen (und zwar mehr als mein mann und ich haben)? hier muss niemand auf der straße sitzen. wenn die leute es tun, dann weil man in den sozialen unterkünften nichts trinken darf oder drogen nehmen. manchmal platzt mir da echt der kragen, wenn ich besonders leute in meinem alter auf dem boden sitzen sehe und die mich dann dreist nach geld fragen. mich. eine person, vom schicksal hart getroffen. ich bin in meiner ausbildung krank geworden. sehr krank. aber interessiert das jemanden? nein. als ich das erste mal chemo und co. hatte fühlte sich keine stelle für mich zuständig. denn krankengeld bekommt man nur, wenn man über 400 euro verdient. entschuldigung, wie dumm von mir, dass ich mich für einen sozialen beruf entschieden haben und nicht für bwl. manchmal habe ich das gefühl mich dafür entschuldigen zu müssen das ich krank bin. und oft ist dies keine einbildung. ich fühle mich schon beschissen, wenn ich bei der krankenkasse sitze und erkläre, dass ich meine medikamente nicht zahlen kann und eine vorläufige befreiung brauche. oder wenn ich bei allen möglichen stellen um hilfe bitte. wie kommt ein junder typ dazu sich auf die straße zu setzen und zu betteln? ich kann nichts dafür, das er kein bock auf schule hatte und nun keinen job findet. deutschland ist ein sozialstaat, aber wenn es darum geht kranken menschen zu helfen ist schluss. ach nein, wenn ich nach meiner ausbildung krank geworden wäre: alles kein problem. aber so. da haben wir keine formulare für. oh, entschuldigung das ich meine chemo und bestrahlung nicht noch ein halbes jahr nach hinten schieben konnte. während meiner ersten chemo habe ich überall anträge gestellt. oft wurden diese abgelehnt mit der begründung: tja, es tut uns leid, aber da sie eine chemo machen, sind wir nicht für sie zuständig (kein witz und nicht übertrieben). leider war es auch kein anderer. wenn ich was zu sagen hätte, würde ich bestimmen, das man kranken menschen, die schon ihr ganz eigenes leid zu tragen haben, nicht mehr das gefühl gibt, im weg zu sein oder selber schuld. und auszubildene, die erkranken, sollten eine anlaufstelle haben, die sich um sie kümmert. menschen, die für einen da sind. die einen helfen geld zu bekommen, anträge zu stellen (denn z.b. während einer chemo ist es nicht ganz einfach ständig von amt zu amt zu laufen) u.s.w. ist das denn so schwer??

p.s. (ich bitte darum, mich nicht anzumeckern, weil ich  z.b. auf jugendliche bettler "losgehe" o.ä. . manchmal muss man sich auch einfach auskotzen)

1 Kommentar:

Nina hat gesagt…

Ich kann dich total gut verstehen. Sowohl was die verdammte Bürokratie angeht als auch den jugendlichen Bettler. Wurde auch erst vor kurzem von einem jungen Typen angesprochen, ob ich Geld hätte... O_O
Das ist alles sooo schrecklich... Und in den blöden Formularen, die du gekriegt hast, musst du dich wahrscheinlich bis auf die Unterhose ausziehen ... =(
Wo wir schon beim Aufregen sind: Verhütungsmittel, die von der Scheißversicherung nicht übernommen werden, weil das ja zu teuer ist und blaaa... aber Kinder kosten ja so wenig Geld -.- Sorry, passt nicht so 100%ig. Aber das ist auch so typisch Deutschland und hat mich vor kurzem erst richtig aufgeregt...