wenn ich im geiste vor mir sehe, was alles seit meiner einweisung passiert ist, wird mir ganz flau, wenn ich daran denke, wie ich das alles in einen text packen soll.
aber ich versuche es einfach mal.
es war ein samstag. am tag zuvor hatte ich eine kontrolluntersuchung, bei der nichts halbes und nichts ganzes herauskam. schon seit dem frühen morgenstunden hatte ich starke (ober)bauchschmerzen und auch allgemein ging es mir sehr schlecht. schon seit tagen konnte ich keinen bissen mehr runterkriegen. ich dachte zuerst an starke hunger-bauchschmerzen. das ganze steigerte sich sich in den nächsten stunden so sehr, dass ich entschied: ich muss ins krankenhaus. mittlerweile war es so schlimm geworden, dass ich nicht wusste, wie ich die autofahrt dorthin lebend überstehen sollte. angekommen in der notaufnahme konnte ich der krankenschwester nur noch entgegen heulen "bitte helfen sie mir. ich glaub' ich muss sterben".
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nachdem der arzt in der notaufnahme mir mehrere spritzen morphium direkt in meine vene gespritzt hatte, konnte ich zumindest einmal kurz meine, seit stunden, durchgehend verkrampften beine entspannen. weg war der schmerz allerdings noch lange nicht.
was ich habe konnte man mir nicht sagen. mein magen war erst am vortag untersucht worden und völlig in ordnung. so starke hungerbauchschmerzen schloss der arzt eigentlich aus. ich wurde erst einmal auf die durchgangsstation in ein zimmer gebracht. meine bettnachbarin war zum glück eine sehr nette südländerin mitte 30. etwas später kam eine ärztin, nahm mir blut ab und sagte, sie würden gerne ein ct machen.
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nächster morgen. ich wurde auf meine standard-station verlegt. in ein einzelzimmer. schmerzen waren nur noch mit unglaublich viel morphium auszuhalten und selbst dann eigentlich nicht. ein arzt erklärte mir und meinem mann das ct-ergebnis, es war niederschmetternd. demnach sei mein darm in sich so verdreht und verklebt, da sei es ganz normal, das da nichts mehr rein geht und wenn doch, wieder rauskommt. das ganze wäre schon etwas länger so, allerdings sei es wohl in den letzten wochen schlimmer geworden.
kurzfristige aussichten: ich bekomme ersteinmal meine fette, eiweiße und den zucker über die vene, als infusion. zudem schmerzmittel. und da ich mal wieder einen keim im urin hatte, antibiotika. gefühlt das 200. mal dieses jahr.
längerfristige aussichten: es könnte sein, das sich der darm wieder etwas "öffnet". mein leben lang kann oder wird das jetzt so hin und her gehen. außerdem waren sich nun alle einig das die nierenfistel weg müsste. so ginge es nicht weiter. meine ärzte riefen urologen in einem anderen bremer krankenhaus an (nur dort gibt es eine urologie-abteilung).
abwarten. ich konnte nur beten, dass mein darm sich wieder löst und ich nicht an einem darmverschluss oder sonstiges sterbe. irgendwie sah es anfangs doch sehr sehr schlecht aus.
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nach vielen gebeten, schmerzvollen nächten ganz oben auf der "aushalt-skala" und angstvollen tagen bekam ich 2 kleine himbeeren den hals runter. ein paar tage später waren es schon mehrere stücke kleingeschnittenes obst. es schien etwas bergauf zu gehen.
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ich konnte mich nun entscheiden.
variante 1: mit meiner nierenfistel bleibt alles wie es ist. das heißt, weiterhin durchgehend schwere blasenentzündungen, der nährboden für den abszess bleibt und natürlich auch der schlauch, also die psychische belastung.
variante 2: eine riesige op, bei der man versucht den harnleiter zu "flicken", die wahrscheinlich gar nicht gelingt, aber einen desmoid-wachstum auslöst.
variante 3: der kaputte harnleiter wird abgeklemmt, so das er kein keimherd mehr für den abszess ist. die fistel wird nach draußen weiterhin abgeleitet, aber statt einem pcn-schlauch, bekomme ich einen kleinen beutel an den körper geklebt (stoma). da hinein fließt der urin. psychische belastung wird nicht besser und es wäre eine ziemlich große op. somit auch wieder desmoid-wachstum da.
variante 4: man führt eine nierenembolisation durch. das bedeutet so viel wie: man verschließt die blutgefäße, die zur niere führen. diese stirbt somit ab und produziert nach 1-2 tagen keinen urin mehr. da man durch eine aterie in den körper geht, ist kein schnitt nötig, also keine desmoide. der schlauch wäre weg und auch der keimherd. natürlich hätte ich dann nur noch eine niere.
manuel und ich versuchten durch beten und befragen der ärzte eine entscheidung zu treffen.
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wir entschieden uns für variante 4. ich hatte eine scheiß angst. sowas lässt man schließlich nicht alle tage machen. der radiologe, der die embolisation durchführte, war zum glück sehr nett, sodas er mir einige ängste nehmen konnte. ich entschied mich dafür das ganze nicht nur mit örtlicher betäubung, sondern auch mit leichter narkose (keine vollnarkose. propofol.) durchzuführen. als ich auf dem op-tisch lag, dachte ich, mein herz explodiert gleich vor aufregung. dann bekam ich das propofol. ich machte mich bereit einzuschlafen, aber es passierte nichts. ich schlief nicht ein. den piks der örtlichen betäubung bekam ich zwar nicht mit, aber das war's auch schon. ich bekam noch mehr propofol. nichts passierte. der arzt entschied sich, trotzdem anzufangen. meine fr.., tat das weh! ich heulte und schrie vor schmerzen. ich bekam morphium. und so ging es immer weiter. ich hatte irre schmerzen und hörte die ärzte nur die ganze zeit rufen: schnell, ich brauche noch mehr propofol. los, morphium her. schnell, es bringt nichts. sie ist noch wach.
und das über 2 stunden. eine echte folter.
im aufwachraum, haha, wurden die schmerzen immer schlimmer. ich bekam einen ganzen medikamenten-cocktail. endlich war es einigermaßen zum aushalten. ich wollte auf die toilette, da erfuhr ich das ich (ich hatte einen riesigen druckverband an der leiste, wo sie durch die aterie reingegangen waren) noch knapp 12 stunden steif auf den rücken liegen müsste. sonst könnte sich ein schlimmer bluterguss in der leiste ergeben, schmerzhaft und gefährlich. also blieb mir nur die bettpfanne.
da die schmerzen einigermaßen auszuhalten waren, entschieden sich die ärzte dafür mich mit dem krankenwagen wieder in "mein" krankenhaus zu bringen. dort angekommen wurden die schmerzen wieder unaushaltbar. ich bekam eine morphium kurzinfusion nach der nächsten, nichts half. außerdem schmerzste es unendlich doll, sich nicht bewegen zu dürfen, auch klappte es nicht so recht mit dem topf unter meinem po.
um 23:30 uhr, eine halbe stunde bevor ich mich wieder ein bisschen bewegen durfte, hielt ich es nicht mehr aus, ich musste mich einfach hinsetzen. im sitzen klappte es auch besser mit der bettpfanne. die nacht brach herein. zum glück blieb mein mann bei mir. aber der arme konnte kein auge zu tun. ich heulte die ganze nacht vor schmerzen. die schmerzen waren so allumfassend, ich war so machtlos, das kann man nicht erklären, wenn man es nicht selbst erlebt hat, schrecklich. am nächsten tag bekam ich einen perfusor. ein gerät das einem den ganzen tag über eine gleichbleibende (kann man einstellen) menge morphium (z.b.) in die vene gibt. die menge wurde sehr sehr hoch eingestellt. zusätzlich hatte ich sowieso schon morphium pflaster und ich bekam am ersten tag noch ein paar spritzen morphium extra. so war es auszuhalten, endlich.
ich kam damit über's wochenende. am montag konnte der perfusor sogar ein wenig runtergestellt werden.
der arzt erklärte mir, so eine embolisation sei so wie ein herzinfarkt oder als wenn einem bei lebendigen leibe das bein abstirbt. ha, super. genial das mir vorher aber gesagt wurde das sowas nicht so schlimm sei. egal, hauptsache den schlimmsten schmerz überstanden.
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in den nächsten tagen konnte der perfusor immer weiter runtergestellt werden (ich habe ihn noch immer, aber schon über die hälfte der anfangsmenge wurde reduziert. am montag, also morgen, wird es wieder runtergestellt.). die schmerzen waren noch stark, aber verglichen mit denen an den ersten tagen kein wort wert. vor der ganzen sache sagte der radiologe zu mir, das man so nach 48 stunden den schlauch ziehen könnte, weil da kein harn mehr durchfließen würde (der schlauch ist ja durchsichtig und der beutel auch. man sieht das also.). am montag, 3 tage nach der embolisation, floss immer noch urin. zwar statt mehrere liter am tag nur noch 250 ml, aber man kann die pcn erst entfernen, wenn gar nichts mehr fließt. ich erzählte es dem arzt bei der visite. er setzte sich telefonisch mit dem radiologen in verbindung.
mittlerweile esse ich übrigens wieder halbwegs normal. es reicht noch nicht mich ohne die künstliche nahrung zu ernähren, aber es ist ein anfang. ich hoffe, es geht noch weiter. nachdem ich anfangs auf 47 kilo abgemagert war, wiege ich nun 49 kilo. ich will es auf 55 kilo schaffen.
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nun ist es amtlich: ich muss nochmal eine embolisation durchführen. nächsten freitag. der radiologe meinte, es könnte sein, das es noch kleine blutgefäße gibt, die er übersehen hat. oh, ich hoffe so sehr das es so ist. letzte chance die pcn loszuwerden. ansonsten hab ich nur noch eine niere und trotzdem noch die fistel. das ist dann so tragisch, das es fast schon wieder lustig wäre. wollen wir beten und hoffen das es soweit nicht kommt und ich montag in einer woche vielleicht schon schlauch-los bin.
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das hier und jetzt.
alles was so am rande gelaufen ist, und das war nicht wenig, habe ich bewusst ausgelassen. es wäre einfach zu viel.
während wir hier reden blüht an meinem kaktus, den ich seit fast 2 jahrzehnten hege und pflege, eine handgroße wunder-wunderschöne blüte. die erste, die er jemals hatte.
das meine, mit schweiß und liebe gehüteten, tomaten natürlich genau dann rot werden, wenn ich im krankenhaus liege, war da ja schon vorprogrammiert.
und darum sind jahrzehnte voller pflege umsonst.
8 Kommentare:
Oh man.
Ich sitze hier, lese, bin traurig und weiß echt nicht was ich denken soll....
Ich wünsche euch ganz viel Kraft, genügend Mut und Durchaltevermögen.
Ich bete für euch!
Ihr seid nicht alleine!
Viele liebe Grüße und bis bald!
ich finde echt keine worte, die meine betroffenheit ausdrücken könnten. aber mir fiel ein song von shane&shane ein:
"oh soon, it's all gone, we'll fly away ... You are the maker, life sustainer/ everything comes and everything goes/ when you give the word of mercy, oh lord/ satisfy, You and i ... arise my soul awaken/
that i might see/ and be happy all my days/ how long will there be mourning?/ return to us"
alles gute! steph
Oh nein, das hört sich wirklich schlimm an. Ich frage mich nur warum die angefangen haben zu operieren wenn du wach warst? Das geht doch nicht?!?!?!?
Ich wünsche dir auch ganz viel Kraft, dass du alles durchstehst und es dir wieder besser geht.
Ich finde du bist ein ganz toller Mensch, ich glaube ich wäre schon in tiefste Depressionen verfallen. Dafür bewundere ich dich wirklich.
Liebe Grüße Kia
Heftig! Ich weiß nicht, was für Worte in solchen Zeiten noch passend bzw. hilfreich sind... Deswegen nur dies: Ich bete für dich/euch!
jetzt lese ich schon so lange bei dir mit und habe glaube ich noch nie kommentiert :o
ich hatte mich schon gewundert, dass so lange nichts mehr neues gepostet hast. verdammt, das klingt alles so fies! ich wünsch dir viel kraft, das durchzustehen und dass es dir irgendwann möglichst bald! besser geht und du wieder selbstgeschneiderte röcke vorführen kannst!
Hey du!
Ich kann sicher nicht mal ansatzweise nachvollziehen, was du da gerade durchmachst, aber dennoch merke ich, dass du eine starke Frau bist, da du es jetzt schon gut bis hierher geschafft hast!
Sei weiterhin stark!
Ich muss einfach an dich denken, weil du mir einerseitz Leid tust, aber weil du auf der anderen Seite so bewundernswert bist, weil du das alles durchgestanden hast und so nüchtern davon berichten kannst!
Ich wünsche dir und deinem Mann für die nächste Zeit viel Kraft!
Liebe Grüße!
Ich glaube eigentlich nicht an Gott, aber deine Geschichte hat mich so bewegt, dass ich für dich gebetet habe. Ich wünsche dir alle Kraft der Welt.
Liebe Mareike,
ich habe eben Deinen blog entdeckt und es macht mich sprachlos zu lesen, was Du alles durchmachen mußt.
Ich wünsche Dir alle Kraft der Welt und werde auch ein Gebet für Dich sprechen.
GGLG Tanja
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